Beratung zum Vorgehen bei Verdacht auf sexuelle Gewalt
Rund 50 Fachpersonen aus den Bereichen der Prävention, Opferberatung und Krisenintervention haben sich am 13. November 2020 über Lücken, Herausforderungen und Möglichkeiten zur Optimierung der Beratung von Organisationen und Einrichtungen zum Vorgehen bei Verdacht auf sexuelle Gewalt ausgetauscht. Dieser Workshop wurde von Kinderschutz Schweiz in Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Netzwerks «Prävention sexueller Gewalt im Freizeitbereich» und der «Charta Prävention» organisiert.
Ziele
Der Workshop soll ein gemeinsames Verständnis betreffend die Anforderungen an die Beratung von Institutionen und Organisationen bei Verdacht auf sexuelle Gewalt an Kindern sowie an Erwachsenen mit Behinderungen fördern. In Gruppengesprächen wurden Herausforderungen in der Beratung von Institutionen für Menschen mit Behinderung sowie Freizeitorganisationen benannt und Erfahrungen im Umgang mit diesen Herausforderungen ausgetauscht und diskutiert. In Orientierung an einem präsentierten Beratungsmodell konnten die verschiedenen Beratungsangebote leichter verortet und Schnittstellen zu anderen Beratungsangeboten sichtbar gemacht werden. Letztlich leistete der Online-Workshop einen Beitrag zur interdisziplinären Vernetzung.
Wichtigste Ergebnisse
Ein Verdacht auf sexuelle Ausbeutung innerhalb einer Institution oder Organisation bedeutet für die Verantwortlichen eine grosse Herausforderung. Die Klärung von Fragen rund um die Gefährdungseinschätzung und den Opferschutz, die Anzeige- und Meldepflicht, den Datenschutz und die (Krisen-)Kommunikation verlangt von einer Geschäftsleitung beziehungsweise von einem Vereinsvorstand viel Fachwissen aus verschiedensten Disziplinen. In dieser Situation ist die Beratung durch eine externe, unabhängige Beratungsstelle empfehlenswert.
Die zahlreiche Teilnahme von Fachpersonen mit Beratungstätigkeit zum Thema sexuelle Gewalt zeigt, dass in der Deutschschweiz eine grosse Expertise und ein vielfältiges Beratungsangebot vorhanden ist (Opferhilfe, Kriseninterventionsstellen, Kinderschutzgruppen der Polizei, Präventionsfachstellen, kantonale Fachkommissionen Kindeschutz etc.). Rund die Hälfte der Workshopteilnehmenden berät Verantwortliche von Einrichtungen und Freizeitorganisationen zum Vorgehen bei Verdacht auf sexuelle Gewalt. Weitere Teilnehmende haben wiederum eine Beratungstätigkeit im Präventionsbereich inne, z.B. im Rahmen einer organisationsinternen Erstanlaufstelle, als Beratungsstelle oder als Fachorganisation.
Fragmentiertes Beratungsangebot
Die Workshopteilnehmenden sind sich einig, dass die Fragementierung des bestehenden Beratungsangebots in der Deutschschweiz den Zugang für Institutionen und Organisationen zu Fachberatung und -begleitung erschwert. Merkmale dieser Fragmentierung sind thematische Spezialisierungen, begrenzte geographische Reichweite und kantonale Lücken. Die Orientierung in dieser Beratungslandschaft ist selbst für Fachpersonen nicht einfach. Mangelnde Kapazitäten gepaart mit unklaren öffentlich-rechtlichen Aufträgen, fehlende Bekanntheit und die Kosten für Beratungsleistungen erschweren zusätzlich den Zugang zu professioneller Beratung im Verdachtsfall.
Handlungsbedarf
Die Workshopteilnehmenden diskutierten verschiedene Massnahmen, um den Herausforderungen rund um die Beratung von Institutionen und Organisationen zum Vorgehen bei Verdacht auf sexuelle Gewalt begegnen zu können. Die wichtigsten Massnahmen können wie folgt zusammengefasst werden:
- Erstellen einer detaillierten Übersicht über bestehende Beratungsangebote für Organisationen und Institutionen zum Vorgehen bei Verdacht auf sexuelle Gewalt.
- Sichtbar machen von Angeboten, die eine umfassende Prozess- und Verfahrensbegleitung bieten und von Angeboten die zu spezifischen Fachfragen beraten
- Stärkung regionaler Vernetzung und fallspezifischer Zusammenarbeit im Rahmen regionaler Fachkommissionen Kindesschutz
- Stärkung überregionaler oder nationaler Vernetzung zwecks Koordination und Fachaustausch, z.B. gesteuert/organisiert durch eine nationale Anlaufstelle/nationales Kompetenzzentrum zum Thema sexuelle Ausbeutung
- Entwicklung einheitlicher, gemeinsamer, nationaler Standards in der Beratung von Organisationen und Institutionen zum Vorgehen bei Verdacht auf sexuelle Gewalt
- Enttabuisierung und Sensibilisierung zum Thema sexuelle Gewalt an Kindern mit und ohne Behinderung sowie an Erwachsenen mit Behinderung
- Klare öffentlich-rechtliche Aufträge für die Beratung und Begleitung von Organisationen und Institutionen bei Verdacht auf sexuelle Gewalt
- kostenloser Zugang zu professioneller Beratung zum Vorgehen bei Verdacht auf sexuelle Gewalt für Institutionen und Freizeitorganisationen
- Sicherung der nötigen Ressourcen für professionelle und strukturierte Beratungs- und Bildungsangebote (politische Agenda)
Weiteres Vorgehen
Eine detaillierte Übersicht über die bestehenden Beratungsangebote im Bereich der Vorgehensberatung wird erstellt und zugänglich gemacht.
Zur Bearbeitung der weiteren Themen ist die Gründung einer Arbeitsgruppe in Planung.
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Programm Workshop 13.11.20PDF 1.5 MB
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Begrüssungsrede Claudia Paiano, Alters- und Behindertenamt Kanton BernPDF 0.1 MB
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Input Charta PräventionPDF 1.9 MB
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Input Kinderschutz SchweizPDF 4.3 MB
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Input LimitaPDF 10.9 MB
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Netzwerk «Prävention sexualisierte Gewalt im Freizeitbereich»
Das Netzwerk setzt sich für eine schweizweit koordinierte Zusammenarbeit und eine gemeinsame Haltung in der Präventionsarbeit gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Freizeitbereich ein. -
Prävention in Institutionen und Organisationen
Institutionen für Kinder und Jugendliche müssen die ihnen anvertrauten Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen. Aktive Prävention ist ein wichtiger Pfeiler. -
Prävention im Freiwilligenbereich
Aufmerksam sein und eine Null-Toleranz-Haltung beim Thema sexuelle Übergriffe schützt Kinder.