Sexualisierte Gewalt hinterlässt bei einem Menschen tiefe Furchen. Ein Übergriff hat meist traumatische Folgen für das ganze Leben. Deshalb brauchen Kinder besonderen Schutz vor Übergriffen, und dies sowohl in der realen als auch in der virtuellen Welt. Während sexualisierte Gewalt im realen Raum hauptsächlich von vertrauten Personen verübt wird, sind Kinder in Foren und dergleichen insbesondere durch ihnen unbekannte Personen gefährdet, die das Kindesvertrauen gewinnen wollen.
Opfer erkennen und schützen
Für betroffene Kinder ist es generell schwierig, über eine Tat zu sprechen. Sie fühlen sich oft selbst verantwortlich. Studien zeigen, dass nur ein Bruchteil der Kinder einen sexuellen Übergriff bei der Polizei meldet. Zudem müssen sich betroffene Kinder meist mehrmals jemandem anvertrauen, bis ihnen Hilfe zuteil wird. Zahlreiche öffentliche und private Organisationen in der Schweiz arbeiten daran, diese Situation zu verbessern und sexualisierter Gewalt vorzubeugen.
Die Situation in der Schweiz
Gemäss Strafgesetzbuch ist jede sexuelle Handlung vor, an und mit Kindern unter 16 Jahren strafbar. Es spielt dabei keine Rolle, ob das Kind in die sexuelle Handlung eingewilligt hat. Dennoch erlebt in der Schweiz rund jedes siebte Kind mindestens einmal sexualisierte Gewalt mit Körperkontakt durch Erwachsene oder ältere Kinder. Im virtuellen Raum ist das Ausmass der Übergriffe sogar noch grösser. Gewalt ausübende Personen kommen dabei aus den unterschiedlichsten sozialen Milieus.
2020 wurden schweizweit 1257 Fälle von sexuellen Handlungen mit Kindern gemeldet. Weil nicht alle Straftaten aufgedeckt werden, gibt es noch weit mehr von sexualisierter Gewalt betroffene Kinder. Jeder Fall steht für grosses Leid und einen schwerwiegenden Eingriff in die sexuelle Integrität und die gesunde Entwicklung eines jungen Menschen. Kinderschutz Schweiz tritt der sexualisierter Gewalt gegen Kinder entschieden entgegen!
Die Polizeiliche Kriminalstatistik führt 2020 zum ersten Mal Zahlen zur Cyberkriminalität auf. 10,7 % aller registrierten Straftaten mit einer digitalen Komponente betrafen «Cyber-Sexualdelikte». Dazu gehören Straftaten in diesen vier Bereichen: Verbotene Pornografie, Cybergrooming, Sextortion und Live-Streaming von sexueller Gewalt an Kindern. Es ist auffallend, dass von den 283 Geschädigten knapp 80 % minderjährig sind, in der Mehrzahl Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren. Für Kinderschutz Schweiz ist klar, dass es mehr Prävention braucht!
Prävention – eine gesellschaftliche Aufgabe
Kein Kind kann sich ohne Hilfe selbst vor sexuellen Übergriffen schützen. Die Prävention sexualisierter Gewalt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sensibilisierung, Beratung und Vernetzung sind die Grundlage aller Präventionsbemühungen. Wirkungsvolle Prävention setzt auf verschiedenen Ebenen an und bedingt eine Kombination von Massnahmen in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen. Nur so können Kinder eine Sprache bei Missbrauch finden und Erwachsene sexualisierte Gewalt erkennen und dagegen richtig vorgehen.
Prävention durch Recht und Ordnung
Bei kriminellen Handlungen an Kindern im realen wie auch im virtuellen Raum ist entscheidend, dass Verhältnisse geschaffen werden, die den potentiellen Täterinnen und Täter ihr kriminelles Werk erschweren. Sowohl für die reale als auch virtuelle Welt braucht es griffige Rechtsgrundlagen, einen wirksamen Vollzug und ein Zusammenspiel aller staatlichen und privaten Akteure. Besonders im Online-Bereich ist zwingend eine noch engere nationale und internationale Zusammenarbeit der Präventionsarbeit und der Strafverfolgungsbehörden nötig. Mit spezialisiertem und erfahrenem Personal (etwa für die verdeckte Ermittlung in Chatforen) und den nötigen finanziellen Ressourcen kann dieser Form der Kriminalität entschlossen entgegengetreten werden.
Prävention in Institutionen und Freizeitorganisationen
Schulen, Institutionen und Freizeitorganisationen stehen in der Verantwortung, sich für den Schutz von Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Die Prävention von sexualisierter Gewalt ist immer eine Führungsaufgabe und Teil der Qualitätssicherung. Eine klare Haltung und strukturell verankerte Massnahmen sowie Präventionsangebote basierend auf der 7-Punkte-Prävention reduzieren das Risiko für sexualisierte Gewalt. Zusammen ermöglichen sie den Verantwortlichen, im Verdachtsfall kompetent und konsequent zu reagieren.
Prävention in den Familien
Sexualerziehung ist ein wichtiges Handlungsfeld in der Prävention sexualisierter Gewalt in Familien. Kinder müssen altersgerecht in ihrer psychosexuellen Entwicklung begleitet und ihre Selbstwirksamkeit muss gestärkt werden. Kinder sollen lernen, dass sexualisierte Gewalt vorkommt, und wissen, wo sie Hilfe erhalten. Sie müssen aber auch lernen, die Grenzen anderer wahrzunehmen und sie zu respektieren.
Täterprävention
Nicht jede pädosexuell veranlagte Person begeht eine Straftat, und nicht jeder Sexualstraftäter ist pädosexuell veranlagt. Verschiedene Fachstellen in der Schweiz bieten hilfesuchenden Menschen mit pädosexueller Neigung Unterstützung und Therapie an. Auch ist die Arbeit mit Tätern im Kindes- und Jugendlichenalter unerlässlich. Dabei steht immer das Ziel im Vordergrund, (weitere) Taten zu verhindern (s. auch Bundesratsbericht «Präventionsangebote für Personen mit sexuellen Interessen an Kindern»).