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Psychische Gewalt in der Erziehung

Jedes fünfte Kind erfährt regelmässig psychische Gewalt. Und knapp jedes dritte Kind war bereits Zeuge bei psychischer Gewalt zwischen den Eltern. Die psychische Gewalt ist unsichtbar, hinterlässt bei Kindern jedoch tiefe Spuren.

Definition psychische Gewalt

Psychische Gewalt wird definiert als vorsätzliche Anwendung von Einfluss und Macht sowie wiederholte nicht situations- oder verhaltensbezogene Verhaltensmuster einer Betreuungsperson. Das Kind kann die elterliche Reaktion nicht mit der konkreten Situation in Bezug bringen, sondern empfindet diese als direkte, persönliche Aggression auf seine Person. Das Kind empfindet deshalb das Verhalten der Eltern als unkontrollierbar und bedrohlich, fühlt sich verunsichert, abgelehnt, wertlos und ausgeliefert1.

Das Miterleben von elterlicher Paargewalt (Häusliche Gewalt) wirkt sich negativ auf Kinder aus

Massive und regelmässige Konflikte in der Familie über eine längere Dauer hinweg bedrohen die emotionale Sicherheit der Kinder und können Niedergeschlagenheit, Depressionen, Ängstlichkeit, Unruhe oder Aggressivität auslösen2. Langfristig kann ein chronischer Zustand der emotionalen Verunsicherung die psychische Gesundheit des Kindes nachhaltig beeinträchtigen und zu stressbedingten körperlichen Problemen führen. Das Miterleben von häuslicher Gewalt ist als erlittene psychische Gewalt einzuordnen3.

Viele Kinder zeigen Verhaltensauffälligkeiten, die sich in Unruhe oder Aggressivität, aber auch Niedergeschlagenheit oder Ängstlichkeit äussern; einige Kinder zeigen Anzeichen einer Traumatisierung. Das Erleben von elterliche Paargewalt kann sich auch auf andere Bereiche, wie etwa die sozialen und die schulisch-kognitiven Kompetenzen oder die körperliche Gesundheit negativ auswirken.

Grundbedürfnisse eines Kindes

In familiären Konfliktsituationen fehlen Eltern zudem häufig die Ressourcen, um in angemessener Weise auf die Bedürfnisse der Kinder zu reagieren. Wenn das Verhalten der Sorgeberechtigten dazu führt, dass die Grundbedürfnisse4 des Kindes nicht erfüllt sind und es sich nicht seinen Potentialen entsprechend entfalten kann, ist davon auszugehen, dass eine gesunde Entwicklung des Kindes erschwert, beeinträchtigt oder verhindert wird5. Im Zusammenhang mit psychischer Gewalt sind folgende Bedürfnisse zu nennen:

  • Bedürfnis nach Sicherheit
  • soziale Bedürfnisse wie sozialer Austausch, Beziehungen, Gefühle der Zugehörigkeit, Liebe
  • Bedürfnis nach Wertschätzung, Respekt und Anerkennung
  • Kognitive Bedürfnisse wie die Möglichkeit, Lernerfahrungen zu machen

Psychische Gewalt und ihre Folgen

Die Folgen von psychischer Gewalt in der Erziehung können die Entwicklung des Kindes massiv beeinträchtigen und negative Auswirkungen bis ins Erwachsenenalter haben. Manche Kinder haben die Fähigkeit, Gewalterlebnisse zu bewältigen und sich trotz widriger Umstände gesund zu entwickeln (Resilienz). Im Folgenden eine Übersicht zu möglichen Folgen von psychischer Gewalt6.

  • Negatives Selbstbild, negative Gedankenmuster, stark erhöhtes Risiko für Depression, Angsterkrankungen, posttraumatische Belastungsstörung, usw.
  • Lernstörungen, schlechte Leistungen und schulische Schwierigkeiten
  • Riskantes Verhalten, Substanzmissbrauch und Probleme im Umgang mit Suchtmitteln

  • Soziale Angststörungen und soziale Ängstlichkeit, fehlendes Einfühlungsvermögen
  • Beeinträchtigung der sozialen Entwicklung, Bindungsstörungen
  • Aggressives und gewalttätiges Verhalten, Delinquenz
  • Schwierigkeiten, Regeln, Normen oder Richtlinien einzuhalten

  • Veränderungen in der körperlichen Entwicklung, in physiologischen Funktionen und der Verhaltensentwicklung
  • Erhöhtes Risiko für immunologische Erkrankungen, Stoffwechselstörungen, Herz- und Kreislauferkrankungen

In der Schweiz ist die Datengrundlage zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen insgesamt mangelhaft, speziell für den Altersbereich der 0- bis 8-Jährigen. Eine systematische Erfassung wäre dringend nötig, insbesondere in Bezug auf die frühe Kindheit als bedeutende Phase für die weitere Entwicklung.

Quellen:

1 Khaleque, A. (2017). Perceived parental hostility and aggression, and children’s psychological maladjustment, and negative personality dispositions: A meta-analysis. Journal of child and family studies, 26, 977-988.

2 Kindler, H. (2013). Partnergewalt und Beeinträchtigungen kindlicher Entwicklung: Ein aktualisierter Forschungsüberblick. In: Kavemann, Barbara/Kreyssig, Ulrike (Hrsg.): Handbuch Kinder und häusliche Gewalt. Wiesbaden: Springer VS, S. 27-46

3 Sturge‐Apple, M. L., Davies, P. T., & Cummings, E. M. (2006). Impact of hostility and withdrawal in interparental conflict on parental emotional unavailability and children's adjustment difficulties. Child development, 77(6), 1623-1641.

4 Hierzu zählen nicht nur grundlegende körperliche Bedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung, sondern auch das Bedürfnis nach körperlicher und emotionaler Sicherheit, soziale Bedürfnisse (Wunsch nach sozialem Austausch, sozialer Teilhabe, engen Beziehungen, Zugehörigkeit, Liebe und Aufmerksamkeit), das Bedürfnis nach Wertschätzung, Respekt und Anerkennung sowie kognitive Bedürfnisse (wie das Bedürfnis nach intellektueller Stimulation und Erfahrungsmöglichkeiten).

5 Glaser, D. (2002). Emotional abuse and neglect (psychological maltreatment): A conceptual framework. Child Abuse and Neglect, 26, 697–714. doi:10.1016/S0145-2134(02)00342-3

6 American Professional Society on the Abuse of Children (1995), op. cit. 

Material & Downloads

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  • Psychische Gewalt in der Erziehung (PDF)

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  • Häufigkeiten von psychischer Gewalt in der Erziehung / Resultatebulletin 7/2024

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