Kinder treiben Sport, spielen Instrumente, sind in Jugendgruppen oder Kirchen aktiv und nutzen kulturelle Angebote. In der Schweiz sind allein zwei Drittel der 10- bis 14-Jährigen in einem Sportverein oder in einer Jugendorganisation mit dabei. Gemeinsame Freizeitaktivitäten mit anderen Kindern sind wichtig für die persönliche Entwicklung und Entfaltung. Die vielseitigen Aktivitäten fördern das gute Miteinander in verschiedenen Kontexten und wirken integrativ.
In einem Verein engagieren sich viele Personen ehrenamtlich und freiwillig und leisten für die Kinder und Jugendlichen sowie für die ganze Gesellschaft wertvolle Arbeit. Leider kommt es auch im Freizeitbereich vor, dass die Nähe und die Beziehung zwischen den Kindern und den Leitungspersonen oder unter den Kindern selbst ausgenutzt und missbraucht werden.
Risikofelder im Freizeitbereich
Im Freizeitbereich haben Kinder und Jugendliche zu Leitungspersonen oft einen engen Draht. Oft stehen sie in gewissem Masse in einem Abhängigkeitsverhältnis. Solche Beziehungen bieten leider auch Nährboden für jede Form von Übergriffen, Grenzverletzungen und Machtmissbrauch. Hierarchische Strukturen, eine Kultur, die Konkurrenz und Wettbewerb fördert, dogmatisch ist oder Gewalt und andere Formen von Diskriminierung toleriert und tabuisiert, können Machtmissbrauch begünstigen.
Risikosituationen können im organisierten Freizeitbereich sehr verschieden auftreten – sei es in Umkleidekabinen, anlässlich von Übernachtungen in Ferienlagern oder bei Einzeltrainings. Für die Kinder und Jugendlichen ist es schwierig, sich zur Wehr zu setzen. Leider sprechen auch die Erwachsenen kaum offen darüber, wenn bei ihnen der Umgang anderer Betreuungspersonen mit Kindern Irritationen und ungute Gefühle verursachen.
Das gemeinsame Besprechen von Risikosituationen innerhalb von Organisationen und das Aufstellen klarer Regeln im Umgang mit Nähe und Distanz sind jedoch zwingend nötig, um Schwellen für Übergriffe heraufzusetzen. Klare Regeln helfen auch den Leitungspersonen selbst, weil sie sich vor falschen Anschuldigungen besser schützen können.
Freiwilligkeit in der Prävention sexualisierter Gewalt
Im Freizeitbereich fehlt es weitgehend an verbindlichen Vorgaben betreffend Prävention von Machtmissbrauch und Kinderschutz. Wie stark sich ein Verein oder eine Organisation für das Thema engagiert und geeignete Massnahmen ergreift, ist meist von der jeweiligen Werthaltung und dem persönlichem Engagement einzelner Personen abhängig.
Von ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitgliedern kann nicht automatisch ein Problembewusstsein für das Thema sexualisierte Gewalt vorausgesetzt werden. Auch bringen nicht alle Einsatzleistenden das nötige Rollenverständnis im Umgang mit den Kindern mit. So ist die Verankerung einer Null-Toleranz-Haltung gegenüber sexualisierte Gewalt nicht überall selbstverständlich.
Das Wissen darüber, was sexuelle Ausbeutung ist und was sie für die Betroffenen bedeutet, ist Ausgangspunkt für eine aktive Präventionsarbeit. Es ist beispielsweise wichtig, dass die Vereinsmitglieder oder die Freiwilligen in einer Organisation den Unterschied zwischen einer Grenzverletzung und einer Straftat kennen und dass sie vertraut sind mit Strategien erwachsener Täter und Täterinnen. Zudem müssen die Erwachsenen Sicherheit darüber erlangen, welche Verantwortung sie in ihrer Funktion für Kinder und Jugendliche tragen und wie sie bei irritierenden Vorkommnissen, Vermutungen oder bei konkreten Verdachtsmomenten handeln können.
Eine wirkungsvolle Prävention verlangt neben dem nötigen Wissen auch klare Zuständigkeiten, Regeln, Abläufe und Strukturen (z. B. interne Anlauf- und Meldestellen). Die Umsetzung solcher Vorhaben scheitert leider oft an knappen Ressourcen. So zeigt eine Studie aus Deutschland, dass Vereine mit bezahltem Führungspersonal die Prävention gegen sexualisierte Gewalt häufiger als relevant einstufen und sich aktiver dafür einsetzen als Vereine ohne bezahltes Führungspersonal.