(Traurige) Rekordzahlen: erneut mehr Kinderschutzfälle an den Schweizer Kinderspitälern
Jedoch wird bei Weitem nicht jedes Kind, dessen Wohl gefährdet ist, im Spital behandelt. Neben jedem so erfassten Kind stehen zahlreiche weitere Gewaltbetroffene, deren Leiden (noch) nicht erkannt wurde. Verstärkte Anstrengungen bei der Prävention und Früherkennung sind dringend nötig, Gesellschaft und Politik sind gefordert!
Gibt es mehr Fälle – oder sind die Fachleute besser sensibilisiert?
Fakt ist: Jedes Jahr werden mehr Kinder in Kinderspitälern wegen erlittener Gewalt behandelt. Dies könnte einerseits auf eine verbesserte Sensibilisierung von Fachpersonen (z.B. Kinderärzt:innen, Betreuungspersonal in Kitas bis zu Lehrpersonen) hindeuten. Andererseits können diese Zahlen den von Fachpersonen befürchteten grundsätzlichen Anstieg der Gewalt bedeuten. Um dies genauer zu wissen, bräuchte es neben der vorliegenden Kinderschutzstatistik aus den Spitälern weitere, national aggregierte Daten über die Verbreitung von Gewalt an Kindern. Eine umfassende Datengrundlage zur Gewalt an Kindern in der Schweiz fehlt. Die Schaffung einer solchen wird der Schweiz vom UN-Kinderrechtsausschuss in den Empfehlungen vom Oktober 2021 ausdrücklich nahegelegt.
Jedes Kind, das wegen Gewalt im Spital landet, ist eines zu viel!
Die Einlieferung ins Spital ist oft der traurige Schlusspunkt eines langen Leidenswegs. Schon vorher hätten aufmerksame Erwachsene Hinweise einer Kindeswohlgefährdung sehen oder hören müssen, und die Gesellschaft hätte die nötigen Bedingungen für ein gewaltfreies Aufwachsen geschaffen haben sollen. Deshalb braucht es verstärkte Bemühungen in der Prävention – gerade von der öffentlichen Hand.
Die Gewalt an Kindern ist auf politischer Ebene zunehmend ein Thema – auch in der laufenden Sommersession
So fordert Ständerätin Marianne Maret (Mitte) vom Bund eine regelmässige und schweizweite Präventionskampagne gegen Gewalt (21.4418), dazu sagte der Ständerat in der Frühjahrssession bereits Ja. Der Nationalrat stimmt voraussichtlich am 16. Juni über die Motion Maret ab. Mehrere gleichlautende Motionen wurden entweder vom Ständerat oder vom Nationalrat bereits angenommen, während die Behandlung im Zweitrat noch aussteht.
Angenommen hat der Nationalrat am 1. Juni die Motion (20.3772) von Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach (Mitte): Es soll eine nationale Statistik über Kinder, die von Paargewalt betroffen sind und als Zeuginnen und Zeugen häuslicher Gewalt selber psychische Gewalt erfahren, geschaffen werden.
Am 8. Juni angenommen wurde im Nationalrat die Motion (20.4084) von Yvonne Feri (Stiftungsratspräsidentin Kinderschutz Schweiz, Nationalrätin SP) für eine nationale Strategie zur Bekämpfung der Cyber-Pädokriminalität: Mit einer umfassenden Strategie soll der Schutz der Kinder vor sexualisierter Gewalt im Internet endlich verbessert werden.
Das Fundament bildet das Recht auf gewaltfreie Erziehung
Aus jeder Sicht – jener der Kinder, der Eltern sowie der Fachpersonen – bildet das Recht auf gewaltfreie Erziehung das Fundament für den Schutz vor Gewalt. Kinderschutz Schweiz setzt sich seit Jahren dafür ein, dass ein Recht auf gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch gesetzlich verankert wird. Voraussichtlich im kommenden Sommer veröffentlicht der Bundesrat den Bericht zum Postulat (20.3185) von Nationalrätin Christine Bulliard Marbach (Mitte). Darin wird er Stellung nehmen zur Frage, «wie der Schutz von Kindern vor Gewalt in der Erziehung im ZGB verankert werden kann». Was die vorliegende Statistik dabei verdeutlicht: Es geht nicht nur um körperliche, sondern gerade auch um psychische Gewalt und Vernachlässigung, unter der Kinder zu leiden haben. Kinder haben ein Recht, vor all diesen Formen der Gewalt geschützt zu werden.
Die Nationale Kinderschutzstatistik finden sie hier.
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Medienmitteilung: Nationale Kinderschutzstatistik 2021PDF 0.1 MB