Sexualerziehung
Das Wichtigste in Kürze
Kinderschutz Schweiz nimmt die Debatte um das Initiativbegehren «Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule» zum Anlass darzulegen, wie Sexualerziehung zum Schutz von Kindern beiträgt und warum neben den Eltern der Schule dabei eine wichtige Rolle zukommt. Kinderschutz Schweiz lehnt die Initiative dezidiert ab, da diese ein bewährtes System in Frage stellt, gegen Kinderrechte verstösst und einen wirksamen Schutz vor sexueller Gewalt verhindert. Das vorliegende Positionspapier umfasst die zentralen Argumente für die Ablehnung der Initiative.
Die Volksinitiative will den Artikel 11 der Bundesverfassung (Schutz der Kinder und Jugendlichen) anpassen mit der Absicht, die Sexualerziehung in die alleinige Verantwortung der Eltern zu stellen. Unterricht zur Prävention von Kindsmissbrauch soll ab dem Kindergarten zwar erteilt werden können, „sexualkundliche“ Inhalte sind dabei aber verboten. Sexualkundeunterricht soll nur freiwillig und frühestens ab dem neunten Altersjahr möglich sein. Obligatorischer Unterricht zur Vermittlung von Wissen über die menschliche Fortpflanzung und Entwicklung bleibt erlaubt, sofern dieser ausschliesslich von Biologielehrpersonen und erst ab dem vollendeten zwölften Altersjahr erteilt wird. Die Teilnahme an weitergehendem Sexualkundeunterricht soll auf freiwilliger Basis sein.
Prävention sexueller Gewalt bedingt auch Kenntnisse über Sexualität
Dass die Initiative ausgerechnet den Artikel 11 in der Bundesverfassung anpassen will – darin zeigt sich ihre grosse Widersprüchlichkeit. Der Artikel 11 BV in seiner aktuellen Form gibt Kindern und Jugendlichen den Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit. In der durch die Initiative vorgeschlagenen Revision würde der angepasste Artikel 11 aber verhindern, dass in der Prävention von sexuellem Missbrauch über Sexualität gesprochen wird, obwohl erwiesen ist, dass dies eine Voraussetzung für erfolgreiche Prävention ist.
Alle Kinder haben ein Recht auf Information über ihren Körper, über Sexualität und über den Schutz ihrer körperlichen Integrität
Die Hauptverantwortung für die Sexualerziehung liegt bei den Eltern. Kinder sind aber nicht einfach Besitztum ihrer Eltern, sondern sie sind Rechtssubjekte mit eigenständigen Rechten. Die vorgeschlagene Revision des Artikels 11 verletzt verschiedene von der Schweiz unterzeichnete internationale Konventionen - allen voran die UNO-Kinderrechtskonvention.
Sexualerziehung in Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus
Durch den gesellschaftlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag im Bereich der Sexualerziehung, den die Schule komplementär zu den Eltern, nicht selten aber auch kompensatorisch wahrzunehmen hat, ist heute gewährleistet, dass es nicht dem Zufall überlassen ist, ob ein Kind oder ein Jugendlicher fundierte Informationen über sexuelle Themen erhält oder nicht. Wie in Bezug auf alle anderen Themen, sei dies im naturwissenschaftlichen, technischen, historischen oder sozialen Bereich, sollen Schülerinnen und Schülern inhaltlich korrekte und wissenschaftlich aktuelle Informationen im Bereich von Körper, Sexualität, Beziehungen und Identität vermittelt werden. Jede Schülerin und jeder Schüler hat das Recht zu wissen, wie man sich vor sexuell übertragbaren Infektionen und ungewollter Schwangerschaft schützen kann. Und es ist die Pflicht von Eltern und Schule, alles zu unternehmen, damit jedes Kind und jeder Jugendliche bestmöglich vor sexueller Gewalt und Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Orientierung geschützt ist. Eine rein informelle Sexualaufklärung ist in einer modernen Gesellschaft nicht adäquat. Dies hat auch der Bundesrat erkannt, der in seiner Botschaft vom 28. November die Initiative mit klaren Argumenten ablehnt.
Eine wirksame Prävention von sexueller Gewalt an Kindern funktioniert nicht ohne Sexualerziehung und Wahrung der Rechte aller Kinder auf Gesundheit und Information. Sexualerziehung soll deshalb nicht ausschliesslich den Eltern überlassen werden. Vielmehr sollten Kantone, Schulen und Lehrpersonen in Zusammenarbeit mit den Eltern, Prävention und Bildung praktizieren und weiter entwickeln.
Kinderschutz Schweiz fordert deshalb:
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Besser verankerte Ausbildung von Lehrpersonen
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Ausreichende Ressourcen für die Fachstellen, welche die Schulen unterstützen (Beratung,
Interventionen)
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Altersadäquate sexualpädagogische Angebote auf jeder Schulstufe zur Unterstützung der
Lehrpersonen
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Verbindung mit Angeboten zur Förderung der Medienkompetenz bzw. Aufklärung unter
Berücksichtigung der Rolle von Neuen Medien
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Elternbildungsangebote
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Die nötigen finanziellen Mittel, um diese Massnahmen umzusetzen
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Eine gesamtschweizerische Strategie zum Schutz von Kindern vor sexueller Viktimisierung und
zur Förderung der sexuellen Gesundheit, welche sich an verbindlichen Minimalstandards ausrichtet.
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Positionspapier «Sexualerziehung»ZIP 0.6 MB