Starke Worte von Moritz Daum
Sprache ist unsere wohl unerschöpflichste Quelle der Magie. Joanne K. Rowling, eine starke Frau, legte Albus Dumbledore, einem starken Mann, starke Worte in den Mund. Im letzten Harry-Potter-Film liess sie Dumbledore zu Harry sagen: ‹Worte sind […] unsere wohl unerschöpflichste Quelle der Magie, Harry. Sie können Schmerz sowohl zufügen als auch lindern.› Die menschliche Sprache ist ein machtvolles, magisches Werkzeug. Der Mensch verfügt über die angeborenen Werkzeuge, Sprache zu produzieren und zu verstehen: Gehirn, Wahrnehmungsorgane und Produktionsorgane. Kinder fangen früh an, Sprache zu verstehen und zu produzieren. Dabei sind sie auf Sprachreize aus ihrer Umwelt angewiesen. Je mehr Wörter die Kinder hören, desto grösser wird ihr eigener Wortschatz. Je grösser der Wortschatz, desto besser werden später Texte verstanden und Inhalte gelernt. Wenn ich zum Beispiel eine mathematische Textaufgabe schnell verstehe, kann ich meine kognitiven Ressourcen vollumfänglich in das Lösen des mathematischen Problems investieren und verliere keine Zeit beim Verstehen des Textes. Vielfältige Sprache trägt somit zur Lesekompetenz und damit zu Bildung und Schulerfolg bei. Sprache hilft Kindern, ihre Gefühle differenziert zu beschreiben und dadurch zu regulieren. Die Kontrolle und Regulation von Emotionen ist für die Entwicklung von Kindern von unschätzbarer Bedeutung. Kinder mit guter Emotionsregulation zeigen häufig ein besseres Verständnis für die Gefühle ihrer Mitmenschen, weniger Aggressivität, ein besseres Sozialverhalten und ein grösseres Selbstbewusstsein. Wenn Kinder viele Wörter und Worte zur Verfügung haben und diese einzusetzen wissen, können sie Konflikte mit Argumenten statt mit Fäusten austragen. Sie können sich durch Argumente Gehör verschaffen. Kinder brauchen viele Wörter, viel Sprache, damit sie starke Worte produzieren können und zu starken Persönlichkeiten werden. Wenn Eltern bereits früh viel und vielfältig mit ihren Kindern sprechen und ihnen beim Sprechen zuhören, tragen sie einen wichtigen Teil zu dieser Entwicklung bei.
Moritz Daum
Vater von 3 Kindern, Professor für Entwicklungspsychologie am Psychologischen Institut der Universität Zürich