Miteinander reden
Eine Ohrfeige beispielsweise schmerzt und gehört von daher weder in eine Paarbeziehung noch in die Erziehung von Kindern. Physische Gewalt zerstört Vertrauen. Doch auch Worte können weh tun und Kinder von ihren Eltern oder Partner voneinander entzweien. Bewusst gewählte Worte haben aber auch die Macht, Brücken zu schlagen und eine vertrauensvolle, tragfähige Verbindung zu den Mitmenschen herzustellen.
Wertschätzendes Kommunizieren in der Familie ist ein wichtiger Bestandteil einer gewaltfreien Beziehung und Erziehung.
Ich-Botschaften
Ich-Botschaften helfen dabei, sich in herausfordernden Situationen offen auszudrücken, ohne dem Gegenüber Vorwürfe zu machen. Durch Ich-Botschaften steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Sender der Botschaft Verständnis erhält. Diese Art, sich auszudrücken, kann zu einer offenen Gesprächskultur in der Familie beitragen, die das gegenseitige Vertrauen langfristig stärkt.
Eine Ich-Botschaft löst beim Kind meistens weniger Widerstand aus als ein Verbot oder ein Befehl (das ist bei Erwachsenen im Übrigen nicht anders). Mit der Ich-Botschaft signalisiert der Sender, dass er ein Mensch mit Empfindungen, Bedürfnissen und Grenzen ist. Dadurch, dass man im Ausdruck bei sich bleibt, werden nicht die Schuldgefühle beim Gegenüber geweckt, sondern die eigenen Werte werden vermittelt. Das Gegenüber erhält so die Möglichkeit, die Situation aus eigenem Antrieb zu ändern, ohne sich einem direkten Vorwurf ausgesetzt zu sehen.
Die Ich-Botschaft ist eine Alternative zu
- allgemeingültig klingenden «Man»-Sätzen wie zum Beispiel: «Das macht man einfach nicht.»
- Du-Botschaften, die meistens entweder einen Vorwurf enthalten oder den Adressaten und sein Verhalten abwerten, zum Beispiel: «Du bist immer dieselbe Nervensäge.»
Ich, du oder man
- Ich-Botschaft: «Euer Gespräch ist so laut, ich höre nichts am Telefon (und das ärgert mich).»
- Du-Botschaft: «Ihr seid so rücksichtslos, könnt ihr eigentlich nicht leiser reden?»
- Man-Botschaft: «Bei eurem Krach kann man ja sein eigenes Wort nicht mehr verstehen!»
Zusätzlich zu einer Ich-Botschaft hilft es, wenn am Ende eine Bitte folgt oder eine Erklärung, weshalb mir etwas wichtig ist. Damit wird dem Gegenüber eventuell noch klarer, wie er oder sie die Situation ändern und mir damit «etwas Gutes» tun kann.
Von der inhaltlichen Struktur besteht eine Ich-Botschaft aus drei Teilen:
- Was ist passiert? (meine Wahrnehmung ohne Bewertung)
«Ich telefoniere und ihr sprecht gleichzeitig.»
- Wie verhindert oder stört diese Wahrnehmung meine Bedürfnisse?
«Ich höre nichts.»
- Wie fühle ich mich deswegen?
«Das macht mich ärgerlich.»
Diese Teile müssen natürlich nicht genau in dieser Reihenfolge ausgesprochen werden. Oft reichen auch Teil eins und zwei aus. Indem ich aber meine Gefühle ausspreche (3.), kann ich noch unterstreichen, warum mir eine Veränderung so am Herzen liegt.
Mit der anschliessenden Bitte kommt ein vierter Teil ins Spiel:
- Was ist mir wichtig? Welches konkrete Verhalten wünsche ich mir von dir?
«Ich bitte euch, das Gespräch in der Küche fortzusetzen.» Oder: «Mir ist wichtig, dass ich mitbekomme, was mein Gesprächspartner am Telefon sagt. Könntet ihr leiser sprechen?»
Die Bitte muss erstens möglichst konkret und zweitens wirklich so gemeint sein, sie darf also kein «verhinderter» Befehl sein.
Wenn sich der Wunsch nicht erfüllt
Wenn man sich mit einer Ich-Botschaft ausdrückt, ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass das Gegenüber mit «Ja» oder «Okay» antwortet. Allerdings hat es auch das Recht, nicht darauf einzusteigen. Und das kann einen frustrieren.
Es ist in solchen Momenten hilfreich, dieses «Nein» nicht persönlich zu nehmen: Mit dem «Nein» drückt mein Gegenüber vielmehr aus, dass ihm selber etwas gerade sehr wichtig ist, an dem ihn meine Bitte hindern würde.
Ich kann in diesem Moment – oder wenn ich gerade zu aufgewühlt bin, später vorwurfsfrei nachfragen, was ihm so wichtig gewesen sei, dass es meinem Wunsch nicht nachkommen wollte. So habe ich die Chance, die wahren Beweggründe des Gegenübers zu erfahren, und kann mich mit ihm anschliessend gemeinsam auf Lösungssuche begeben.
Wann eine Bitte keinen Sinn macht
In manchen Situationen ist eine Bitte nicht genug, da braucht es Ansagen oder gar ausdrückliche Verbote. Zum Beispiel wenn sich jemand in unmittelbare Gefahr zu begeben droht: «Stopp! Du darfst nicht bei Rot die Strasse überqueren!» Oder: «Ich verbiete dir, deinen kleinen Bruder zu schlagen!»
Einander zuhören in der Familie
Einfühlsames Zuhören als zentraler Bestandteil von Kommunikation schafft Nähe und sorgt für gegenseitiges Verständnis. Es ist damit ein Nährboden für belastbare Beziehungen.