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Schutz in der frühen Kindheit

Chronischer Stress in der Schwangerschaft und frühe Gewalterfahrungen können Kinder langfristig anfälliger für psychische und physische Belastungen machen. Gerade in dieser entscheidenden Phase sind Kinder besonders häufig von Gewalt betroffen.

Schutz beginnt in der Schwangerschaft

Der Schutz beginnt bereits in der Schwangerschaft. Ein chronisch erhöhtes Stressniveau der werdenden Mutter kann sich langfristig auf das Kind auswirken, indem es ein schwächeres Immunsystem entwickelt und anfälliger für psychische und physische Belastungen ist (vgl. Henriksen und Thuen 2015). Säuglinge und Kleinkinder sind besonders abhängig von ihren Bezugspersonen. Studien zeigen, dass frühe stressreiche Gewalterfahrungen wie Vernachlässigung oder Misshandlung zu dauerhaften neurobiologischen und hormonellen Veränderungen führen, die ein Kind lebenslang vulnerabel für Stress und psychische Erkrankungen machen. Somit ist die frühe Kindheit von null bis acht Jahren eine entscheidende Phase für die Entwicklung der Kinder. Doch Kinder in dieser Lebensphase sind überproportional häufig von Gewalt betroffen, wie die Statistik der Schweizer Kinderkliniken zeigen.

Zahlen und Fakten

Die nationale Kinderschutzstatistik der letzten fünf Jahre von Pädiatrie Schweiz zeigt eine kontinuierliche Zunahme von gemeldeten Fällen von Kindesmisshandlung in Schweizer Kinderkliniken. Seit 2019 wurden jährlich zwischen 1000 und 1200 Fälle erfasst. Besonders auffällig ist der Anstieg bei psychischen Misshandlungen, vor allem durch das Miterleben häuslicher Gewalt. Auch Fälle von Vernachlässigung und körperlicher Misshandlung bleiben auf einem konstant hohen Niveau. Trotz dieser alarmierenden Trends bleibt die Dunkelziffer vermutlich hoch, da die Statistik nur Fälle umfasst, die in Kliniken behandelt wurden​

Im 2023 haben die Zahlen der Kinderschutzfälle an den Schweizer Kinderkliniken deutlich zugenommen. 2097 Kinder mussten im Jahr 2023 aufgrund einer Kindeswohlgefährdung im Spital behandelt werden. Dies entspricht einem Anstieg von 11% im Vergleich zum Vorjahr. Kleine Kinder sind überproportional häufig von Gewalt betroffen und es besteht Handlungsbedarf, diese zu schützen und die gewaltfreien Erziehungskompetenzen ihrer Eltern und Sorgeberechtigten zu fördern.

Kinder und Jugendliche, die häusliche Gewalt erleben und miterleben, sind grossen Belastungen ausgesetzt, die sich häufig bis ins Erwachsenenalter auswirken. Im Jahr 2022 wurden 19’978 Straftaten im Bereich häuslicher Gewalt registriert, eine Zunahme von 3,3% gegenüber dem Vorjahr. Alle zwei Wochen stirbt eine Person infolge häuslicher Gewalt; durchschnittlich 25 Personen pro Jahr, davon 4 Kinder (2009-2021).

Belastete Familien: Armut, Krankheit, Paargewalt und Suchtprobleme

Im Jahr 2023 waren in der Schweiz rund 134'000 Kinder von Armut betroffen, was etwa 8,5 % aller Kinder ausmacht (BFS 2023a). Kinder in Armutslagen bedürfen einer besonderen Unterstützung, weil Armut zu den bedeutenden Faktoren für Entwicklungsdefizite und Gesundheitsrisiken im Kindesalter zählt. Armutsgefährdete Familien, die Sozialleistungen beziehen, sind deutlich häufiger als andere Familien gleichzeitig von mehreren psychosozialen und gesundheitlichen Belastungen betroffen. Armut an sich hat keine Aussagekraft über die Versorgungs- und Erziehungskompetenzen der Sorgeberechtigten. Prekäre finanzielle Lebensverhältnisse gehen aber mit zahlreichen anderen Belastungsfaktoren einher. Um von Armut betroffenen oder armutsgefährdeten Kindern eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen, braucht es neben finanzieller Unterstützung die Stärkung und Unterstützung der Sorgeberechtigten und deren familiärer Ressourcen.

Früherkennung und Frühintervention bei Kindeswohlgefährdung

Eine Gefährdungsmeldung zuhanden der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ist keine Anzeige und keine Schuldzuweisung. Mit der Meldung klärt die KESB die Situation des Kindes und der Familie ab und trifft falls nötig geeignete Massnahmen, um das Kind und die Eltern bestmöglich zu unterstützen.

Was für alle Kinder gilt, hat in der frühen Kindheit eine besondere Bedeutung: Säuglinge und Kleinkinder sind besondere vulnerabel und abhängig von ihrem familiären und sozialen Umfeld. Voraussetzung für die frühzeitige Wahrnehmung von möglichen Kindeswohlgefährdungen und ein angemessenes, professionelles Handeln, ist ein kinderschutzspezifisches Wissen der Fachpersonen wie grundlegende Kenntnisse über die Früherkennung und Frühintervention und den Umgang mit Kindeswohlgefährdungen, Kenntnisse des Kindesschutzsystems und Grundkenntnisse der Kinderrechte. Damit Früherkennung von Kindeswohlgefährdung in der frühen Kindheit gelingt, sind ebenso stabile Brücken zwischen den Fachpersonen und Berufsgruppen notwendig, die mit Kindern und Eltern in Kontakt stehen. Verlässliche und verbindliche Kooperationsstrukturen ermöglichen Übergänge zu weiterführenden Hilfen und sind für einen funktionierenden Kindesschutz unerlässlich.

Fachpersonen stärken

In jungen Jahren sind Kinder weniger stark in institutionelle Kontexte eingebunden. Deshalb nehmen alle Fachpersonen im Bereich des Kindesschutzes eine wichtige Rolle ein, wenn es darum geht, Gewalt an Kindern frühzeitig zu erkennen. Die Anzahl der von Kinderschutzgruppen erfassten Kinder, die psychische Misshandlung durch das Miterleben von Häuslicher Gewalt erfahren haben, ist markant angestiegen. Psychische Gewalt kann– vor allem, wenn sie regelmässig angewendet wird – starke und möglicherweise lebenslange Auswirkungen für die betroffenen Kinder haben.

Material & Downloads

Kinderschutz Schweiz stellt Ihnen alle wichtigen Informationen und Materialien zu diesem Thema bereit. Bei Fragen stehen wir Ihnen unterstützend zur Seite: info@kinderschutz.ch

  • Früherkennung von Gewalt in der frühen Kindheit

    Früherkennung von Gewalt in der frühen Kindheit

    Broschüren
    Leitfaden für Fachpersonen im Frühbereich
  • Kindeswohlgefährdung erkennen und angemessen handeln

    Kindeswohlgefährdung erkennen und angemessen handeln

    Broschüren
    Leitfaden für Fachpersonen aus dem Sozialbereich
  • Kindesmisshandlung und Kindesschutz

    Kindesmisshandlung und Kindesschutz

    Broschüren
    Leitfaden zu Früherfassung und Vorgehen in der ärztlichen Praxis

Engagement Kinderschutz Schweiz

Kinderschutz Schweiz benennt die Missachtung der Rechte der Kinder und fordert die konsequente Umsetzung der UNO-KRK in der Schweiz. Die Stiftung bringt sich in Debatten ein, wird zum Schutz der Kinder aktiv und fordert von den politisch Verantwortlichen kinder- und familienfreundliche Strukturen.