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Schutzfaktoren und Qualität im Kindesschutz

Angesichts steigender Fälle von Kindswohlgefährdungen wird der Bedarf an wirksamen Schutzmassnahmen immer dringlicher. Die Förderung von Schutzfaktoren und die kontinuierliche Verbesserung der Qualität im Kindesschutz sind entscheidend, um gefährdete Kinder nachhaltig zu unterstützen

Angesichts der steigenden Zahlen von Kindswohlgefährdungen in der Schweiz wird deutlich, wie dringend effektive Schutzmassnahmen benötigt werden. Ein zentraler Ansatzpunkt im Kindesschutz ist die Identifizierung und Förderung von Schutzfaktoren, die Kinder in schwierigen Lebenslagen unterstützen können. Diese Schutzfaktoren spielen eine entscheidende Rolle dabei, das Risiko von langfristigen Schäden zu minimieren und die Resilienz der betroffenen Kinder zu stärken. Gleichzeitig ist es essenziell, die Qualität der Kindesschutzmassnahmen kontinuierlich zu verbessern, um einen wirksamen Schutz zu gewährleisten. Nur durch eine Kombination aus Prävention, Förderung von Resilienz und qualitativ hochwertigem Schutz können wir sicherstellen, dass Kinder auch in herausfordernden Situationen sicher und gesund aufwachsen.

Schutzfaktoren in der Entwicklung des Kindes

Einige Kinder entwickeln sich trotz schwierigen Lebensumständen psychisch und körperlich gesund. Die Resilienzforschung befasst sich mit diesen Erkenntnissen und hat sogenannte Schutzfaktoren abgeleitet und beschrieben. Es sind Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich Kinder auch unter schwierigen Bedingungen gut und gesund entwickeln und weniger Belastungen aus der Kindheit ins Erwachsenenalter mitnehmen.

  • Fröhliches Temperament
  • Hohes Selbstwertgefühl
  • Ausgeprägte Emotionsregulation/Impulsbedürfniskontrolle
  • Hohe Selbstwirksamkeitserwartung
  • Das Kind hat mindestens eine enge Freundin oder einen engen Freund (mittlere Kindheit/Jugend)
  • Enge, positive emotionale Beziehung eines Kindes zu einem/einer nicht misshandelnden/ vernachlässigenden Elternteil/Hauptbetreuungsperson
  • Gute schulische Leistungen

  • Positives, feinfühliges, dem Entwicklungsstand und der Persönlichkeit des Kindes angemessenes Erziehungsverhalten
  • Elterliches Wissen über Entwicklung von Kindern
  • Hohe Konstanz der Betreuungspersonen
  • Hohe Beziehungsqualität in Partnerschaft/Ehe (konstruktive Art, Konflikte zu lösen, harmonische Beziehung)
  • Familiäre Stabilität
  • Ausgeprägte soziale Unterstützung der Eltern

Qualität im Kindesschutz

Der Schutz des Kindeswohls ist das Kriterium für Qualität und muss für alle Kinder gewährleistet sein. Dabei ist zu klären, welche Qualität angestrebt wird und woran Qualität zu erkennen ist. Qualität im Kindesschutz ist somit ein Konstrukt, das unter der Berücksichtigung rechtlicher Normierung und interdisziplinären Fachwissens ein gemeinsam geteiltes Verständnis bedarf. Die Aufgaben im Kindesschutz sind dynamisch, so dass die Qualität kontinuierlich weiterentwickelt und optimiert werden muss.

Qualität in der Datenlage

In der Schweiz fehlt es an Daten und einer nationalen Statistik, die über alle von verschiedenen Organisationen erfassten Kindeswohlgefährdungen Auskunft geben. Wir wissen nicht, wie viele Kinder in der Schweiz Vernachlässigung, körperlicher, sexualisierter oder psychischer Gewalt erfahren. Die Datenlage ist nach wie vor unzureichend und ein hohes Dunkelfeld ist zu vermuten. Auch gibt es wenig datengestützte Erkenntnisse zur Wirksamkeit von einvernehmlichen und behördlichen Kindesschutzmassnahmen, welche als empirisch abgesichertes Wissen über die Wirksamkeit für eine bedarfsgerechte Angebotsplanung herangezogen werden kann.

Vorhandene Statistiken sind u.a.:

Partizipation von Kindern und Eltern als wichtige Voraussetzung für gelingende Unterstützung im Kinderschutz

Das Recht des Kindes auf Partizipation leitet sich aus Art. 12 der UNK-KRK ab und umfasst alle Entscheidungsprozesse, die das Kind betreffen. Auch empirisch ist belegt, dass einvernehmliche Zustimmung und Mitwirkung der betroffenen Kinder und deren Eltern einen Einfluss auf den Erfolg von ambulanten und stationären Unterstützungsleistungen haben. Unterstützungsleistungen sollen somit, wenn immer möglich, einvernehmlich beansprucht werden können. Voraussetzung ist, dass die Kinder und deren Eltern in den Prozess einbezogen werden, sie die Hilfestellung als sinnvoll erachten und ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann. Wichtig bleibt, dass dies unter Berücksichtigung des übergeordneten Kindesinteresses stattfindet. Entsprechend trägt eine verstärkte Beteiligung zu einer Verbesserung des Kinderschutzes bei.

Qualifizierung von Fachpersonen im Kindesschutz

Fachpersonen, welche in verschiedenen institutionellen Settings mit Kindern arbeiten, benötigen zusätzlich zur eigenen Disziplin ein kindesschutzspezifisches Fachwissen. Dazu zählen grundlegende Kenntnisse über die Früherkennung und den Umgang mit Kindeswohlgefährdungen, Kenntnisse des Kindesschutzsystems und der verschiedenen Akteure, Gesprächsführung mit Kindern, Kenntnisse zur frühen Kindheit, Gewährleistung der Sicherheit von Opfern und Dokumentation der Befunde sowie Grundkenntnisse der Kinderrechte. Weiterbildung und Qualifizierung der Fachpersonen ist eine wichtige Ressource für die Qualität im Kindesschutz.

Transdisziplinäre Qualitätsstandards als fachlicher Orientierungsrahmen

Mit der Einführung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Jahr 2013 erfuhr der Kindesschutz einen Professionalisierungsschub. Dennoch ist das schweizerische Kindesschutzsystem aufgrund der föderalen Struktur nach wie vor heterogen und bietet nicht überall dieselben Leistungen. Es gibt mittlerweile verschiedene Standards und Empfehlungen, die für bestimmte Bereiche des Kindesschutzes entwickelt wurden, jedoch fehlt eine verbindliche und einheitliche Verankerung auf Bundesebene. Neben dem behördlichen Kindesschutz ist insbesondere der einvernehmliche Kindesschutz und damit verbunden Früherkennung und Frühintervention bei Kindeswohlgefährdung zu stärken.

Qualitätsstandards helfen, bestehende Ungleichheiten im Kindesschutz zu beheben. Sie sind jedoch aufgrund der notwendigen Anpassungen an den Einzelfall nicht als starre Standardisierung bestimmter Vorgehensweisen zu verstehen, sondern sollen Orientierung und eine fachliche Systematik ermöglichen. Dabei ist Inter- oder Transdisziplinarität eine wichtige Voraussetzung, um die beruflichen Grenzen der einzelnen Akteure im Kindesschutz zu überwinden, das gegenseitige Verständnis zu stärken und einen neuen Rahmen für die Zusammenarbeit zu entwickeln.

Vernetzung, Austausch und Kooperation zur Qualitätsentwicklung

Kindesschutz ist eine Verbundsaufgabe. Eine stärkere Vernetzung und verbesserte Kooperation zwischen den beteiligten Akteuren im behördlichen und einvernehmlichen Kindesschutz ist ein wesentlicher Faktor für Qualität. Damit Akteure verschiedener Berufsgruppen und Hilfesystemen zusammenarbeiten können, muss für sämtliche Beteiligten klar sein, wie innerhalb der professionellen Strukturen mit einer belasteten Situation umgegangen wird. Die Kenntnis über Zuständigkeiten, Auftrag und Möglichkeiten der verschiedenen Berufsgruppen ist eine wichtige Voraussetzung. Erfahrungen zeigen, dass sich Reibungsverluste und Fehler einstellen, wenn unterschiedliche Hilfesysteme ohne Rollen- und Aufgabenklärung, ohne gemeinsam geteiltes Verständnis von Kindesschutz zusammenarbeiten. Das Fehlen einer verbindlichen Zusammenarbeit führt immer wieder zu einer unbefriedigenden Fallbearbeitung und geht zu Lasten der Kinder und Familien.

Informationsaustausch zwischen Fachpersonen und Persönlichkeitsschutz (Datenschutz)

Ein verlässlicher Austausch zwischen Berufsgruppen und der Aufbau einer Vertrauensbeziehung mit den Betroffenen sind für einen funktionierenden Kindesschutz unerlässlich. Zusammenarbeit setzt jedoch immer voraus, dass Informationen ausgetauscht werden können. Heikel ist die Weitergabe von besonders schützenswerten Personendaten.

Im Bereich der Früherkennung und Frühintervention bei Kindeswohlgefährdung und des einvernehmlichen Kindesschutzes ist ein Informationsaustausch zwischen Fachstellen nur im Einverständnis mit den Betroffenen oder gestützt auf eine Gesetzesgrundlage wie dem kantonalen Schulgesetz möglich. Diese Schranke der Informationsweitergabe lässt sich auch aus fachlicher Sicht begründen, indem Unterstützungsleistungen nur dann erfolgsversprechend sind, wenn sie von Betroffenen als sinnvoll beurteilt werden. Vorbehalten sind akute Kindewohlgefährdungen, welche eine sofortige Meldung erfordern (behördlicher Kindesschutz). Im Bereich des behördlichen Kindesschutzes ist die Informationsweitergabe an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Zivilgesetz und an die Jugendstrafbehörden im Jugendstrafgesetz geregelt.

Die Bedeutung der Organisationsgestaltung und Organisationskultur

Eine Kindesschutz-Policy ist für Organisationen im Kindesschutz und deren Qualität unverzichtbar. Sie dient dazu, die eigenen Gefährdungsrisiken zu klären und Massnahmen zur Minimierung der Risiken zu ergreifen. Eine Kindesschutz-Policy soll zu einer Kultur der Achtsamkeit und des genauen Hinschauens beitragen, sowohl intern als auch bei Dritten, die sich für die Zusammenarbeit in gewissen Aufgaben verpflichten müssen.

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Material & Downloads

Kinderschutz Schweiz stellt Ihnen alle wichtigen Informationen und Materialien zu diesem Thema bereit. Bei Fragen stehen wir Ihnen unterstützend zur Seite: info@kinderschutz.ch

  • Kindeswohlgefährdung erkennen und angemessen handeln

    Kindeswohlgefährdung erkennen und angemessen handeln

    Broschüren
    Leitfaden für Fachpersonen aus dem Sozialbereich
  • Früherkennung von Gewalt in der frühen Kindheit

    Früherkennung von Gewalt in der frühen Kindheit

    Broschüren
    Leitfaden für Fachpersonen im Frühbereich
  • Kindesmisshandlung und Kindesschutz

    Kindesmisshandlung und Kindesschutz

    Broschüren
    Leitfaden zu Früherfassung und Vorgehen in der ärztlichen Praxis

Präventionsangebote & Kurse

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  • Kindesschutz-Policy für Organisationen

    Kindesschutz-Policy für Organisationen

    Organisationsberatung
    Wir beraten Fachverbände und Organisationen bei der Erarbeitung und Umsetzung.
  • Starke Eltern – Starke Kinder

    Starke Eltern – Starke Kinder

    Elternkurs
    Starke Eltern – Starke Kinder stärkt Mütter und Väter, sowie auch Grosseltern, in ihrer Aufgabe als Erziehende.
  • Programm «Mein Körper gehört mir!»

    Programm «Mein Körper gehört mir!»

    Lehrmaterial
    Präventionsangebote sexualisierter Gewalt im pädagogischen Kontext
  • Früherkennung & Frühintervention

    Früherkennung & Frühintervention

    Broschüren
    Die Leitfadenreihe von Kinderschutz Schweiz zur Früherkennung & Frühintervention

Engagement Kinderschutz Schweiz

Kinderschutz Schweiz setzt sich dafür ein, dass Fachpersonen aus verschiedenen Bereichen verstärkt für das Thema Gewalt in der Erziehung sensibilisiert werden. Dieses Ziel erreicht die Stiftung durch Inputs an Kongressen und Tagungen, Weiterbildungen und webbasierte Angebote.

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