Some alternative text

Erlebte Gewalt verarbeiten

Zur nachhaltigen Verarbeitung von erlebter Gewalt zwei Ansätze: die Stärkung der Kinder und die Unterstützung der Eltern.

Die Ressourcen eines Kindes, also seine individuellen Stärken, diejenigen der Familie und jene des sozialen Umfelds tragen zum Aufbau von Resilienz bzw. der Widerstandskraft bei und unterstützen die Verarbeitung. Kinder brauchen zudem die Möglichkeit, über das Erlebte zu sprechen sowie der Aufbau eines Sicherheitsnetzes für die Zukunft.

Wenn zu Hause ein Klima der Angst, Verunsicherung und Gewalt herrscht, sind alle Familienmitglieder davon betroffen. Kinder leiden auch darunter, selbst wenn sich die Gewalt nicht direkt gegen sie richtet, sondern sich zwischen den Erwachsenen abspielt. Der Grund liegt darin, dass Kinder das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit brauchen. Kinder sind von ihren Eltern auch emotional abhängig und erleben solche Situationen als sehr bedrohlich. Wenn Kinder häusliche Gewalt an sich erdulden müssen oder sie unter anderen mitbekommen, verlieren sie das Gefühl, sicher zu sein. Das lässt sie hilflos zurück. Kinder sind aufgrund ihrer grösseren Verletzlichkeit zudem gefährdeter, bedrohliche Situationen als traumatisierend zu erleben.

Oft fühlen sich Kinder am Gewaltgeschehen schuldig, denn nicht selten lösen ihr Verhalten oder Differenzen unter den Eltern bezüglich der Erziehung den Konflikt aus. Im Bestreben, die Situation zu beruhigen, nehmen Kinder in der Regel viel Verantwortung auf sich, sei es zum Wohlergehen der Eltern oder der Geschwister (Parentifizierung). Diese überfordernde Übernahme von Verantwortung hindert Kinder daran, den eigenen Entwicklungsaufgaben nachzugehen, die vom Spielen über das Aufbauen und Pflegen von Freundschaften bis hin zum Lernen für die Schule, zur Abgrenzung von den Eltern und zum Lösen der eigenen Berufsfrage reichen. Den Eltern und den Erziehungsberechtigten ist häufig nicht bewusst, welche seelische Not die Kinder in solchen Gewaltsituationen erleben. Der Porträtfilm über Cécile aus der audiovisuellen Themenmappe «Es soll aufhören!» zeigt dies eindrücklich auf.

Die Stärken der Kinder entwickeln

Wie es dazu kommt, dass einige Kinder weniger Schaden nehmen als andere, damit beschäftigt sich die Forschung rund um das Thema Resilienz. Resilienz meint die Fähigkeit, gegenüber belastenden Umständen Widerstandskraft aufzubauen. Selbst in solchen Situationen können die meisten Kinder ihre Kompetenzen durchgehend nutzen und erholen sich auch nach hoher Belastung schnell. Die Ressourcen eines Kindes, also seine individuellen Stärken, diejenigen der Familie und jene des sozialen Umfelds tragen zum Aufbau von Resilienz bei. Resilienz muss mit der sorgsamen Unterstützung von Kompetenzen und dem Bereitstellen von Ressourcen gefördert werden. Die Resilienz eines Kindes unterstützt es bei der der Verarbeitung des Erlebten.

Unterstützung der Eltern

Eltern müssen unterstützt werden, damit sie die Gewaltspirale durchbrechen und ihre eigene Situation verändern können. Auch muss ihnen bewusst gemacht werden, welche Not sie in ihren Kindern auslösen.

Gerade in schwierigen familiären Situationen ist es wichtig, dass Kinder Erfahrungen machen, die sie stärken. Das Verfolgen eigener Interessen und Hobbys kann Kindern in belastenden Situationen helfen. Dazu kann man den Aufbau ihrer Resilienz unterstützen, indem man ihre Ressourcen aufgreift und ihnen zu Erlebnissen verhilft, bei denen sie sich als wertvoll und selbstwirksam erleben.

Mit den Kindern reden

Bei schwierigen Erlebnissen wie häuslicher Gewalt brauchen Kinder Hilfe, um diese einzuordnen und ihre eigenen Gefühle zu sortieren. Sie benötigen jemanden, dem sie, sofern sie möchten, alles erzählen können und der ihnen bestätigt, dass Gewalttaten nicht in Ordnung sind. Auf die Fragen eines Kindes braucht es offene, differenzierte und dem Alter angepasste Antworten. Zudem braucht es feinfühlige Erwachsene, die herausfinden wollen, welche Themen ein Kind im Speziellen beschäftigen und mit welchen Gefühlen es belastet sein könnte – seien es Schuldgefühle, das Gefühl von Überforderung, Ängste, Resignation oder Wut. Kinder benötigen Bestätigung, dass mit der erlebten Gewalt tatsächlich etwas Ungutes stattgefunden hat – und sie brauchen Unterstützung beim Reflektieren. Neben einer Bezugs- oder Fachperson sind sie auch auf ihre Eltern angewiesen, die die Gewalt nicht mit einem Tabu belegen, sondern ihnen helfen, über das Erlebte zu sprechen. Wichtig ist zudem, dass die Eltern ihrem Kind versichern, dass es am Gewaltgeschehen keine Schuld trägt, selbst wenn es im Streit um das Kind ging und sein Name genannt wurde.

Sicherheitsnetze aufbauen

Kinder müssen in der Lage sein, im Notfall selber Hilfe zu holen. Für den Fall eines erneuten Gewaltausbruchs brauchen die Kinder ein Sicherheitsnetz, das ihrem Entwicklungsstand angepasst ist. Bei einem jüngeren Kind ist es zum Beispiel die Telefonnummer der Grosseltern, die es bei sich trägt und selber auch wählen kann. Ein älteres Kind hatte vielleicht bereits Kontakt mit einer Opferhilfestelle und wendet sich im Notfall wieder dorthin (Beratungsstellen).

Bezugspersonen

Gibt es einen gewalttätigen Konflikt zwischen den Eltern, nehmen Personen aus dem Umfeld der Kinder eine wichtige Rolle ein. Dies können die Grosseltern oder ältere Geschwister, die Patin oder der Pate, die Nachbarin oder der Nachbar und andere Menschen aus dem Lebensumfeld des Kindes sein. Als interessierte und besorgte Gegenüber können sie dem Kind helfen, Worte zu finden für sein Erleben. Sie können es dabei unterstützen, die Erfahrungen einzuordnen und zu verstehen. Und sie können konkreten Schutz anbieten.

Traumapädagogische Haltung

Eine traumapädagogische Haltung der Fachpersonen kann dazu beitragen, dass die Kinder durch das Gewalterleben blockierte Entwicklungsschritte im Bereich der personalen und sozialen Kompetenzen (LP 21) wieder aufnehmen können. Eine traumapädagogische Haltung erweist sich darüber hinaus für alle Kinder als entwicklungsfördernd, und auch die Fachpersonen erlangen damit neue Einsichten und gewinnen an Sicherheit und dadurch an Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit.

 

Präventionsangebote & Kurse

Sie möchten das Thema in Ihrem beruflichen Alltag konkret behandeln? Hier finden Sie unsere erprobten Programme und Kurse. Für weitere Informationen oder individuelle Lösungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung: info@kinderschutz.ch

  • Themenmappe «Es soll aufhören!»

    Themenmappe «Es soll aufhören!»

    Themenmappe
    Mit der audiovisuellen Themenmappe «Es soll aufhören!» regt Kinderschutz Schweiz zur Auseinandersetzung mit dem Thema Kinder als Betroffene von Partnerschaftsgewalt an.

Engagement Kinderschutz Schweiz

Kinderschutz Schweiz benennt die Missachtung der Rechte der Kinder und fordert die konsequente Umsetzung der UNO-KRK in der Schweiz. Die Stiftung bringt sich in Debatten ein, wird zum Schutz der Kinder aktiv und fordert von den politisch Verantwortlichen kinder- und familienfreundliche Strukturen.