Nach der ersten Woche der Frühjahrsession ist es Zeit für eine Zwischenbilanz.
Kurz gesagt:
- Der Nationalrat will den Bundesrat beauftragen, zu untersuchen, wie die systematische Arbeit mit gewaltausübenden Personen gefördert werden kann. Oft zieht häusliche Gewalt auch Kinder in Mitleidenschaft. Sie würden durch Täterarbeit nachhaltig geschützt.
- Ebenso befürwortet der Nationalrat die Ausarbeitung von medizinisch-ethischen Richtlinien für die Diagnose und Behandlung von Kindern, die mit einer Variation der Geschlechtsmerkmale geboren wurden. Hier wäre ein Verbot aller medizinisch nicht zwingend notwendigen Behandlungen die bessere Lösung gewesen. Die betroffenen Kinder sollen zu einem späteren Zeitpunkt selbst über etwaige Eingriffe bestimmen können.
- Nein sagt der Nationalrat zum aktiven Stimm- und Wahlrecht für Jugendliche – schade verpasst er die Chance zum aktiven Einbezug von Jugendlichen in den politischen Prozess.
- Der Ständerat sagt als Zweitrat ebenfalls Ja zu einem verbesserten Schutz von Ausländischen Personen (insbesondere auch von Kindern), die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Leider übernimmt er nicht alle Verbesserungen, die der Nationalrat aufgenommen hatte. Nun ist dieser Rat wieder am Zug und bleibt hoffentlich bei seiner Variante.
Ja zu «Opferschutz durch Täterarbeit»
Erfreulicherweise stimmte der Nationalrat dem Postulat Funiciello: Opferschutz durch Täterarbeit (23.3800) sowie den gleichlautenden Postulaten von Falkenstein und Studer zu. Professionelle Arbeit mit Tatpersonen hilft, dass diese aus der Gewaltspirale ausbrechen können und dämmt so häusliche Gewalt ein. Damit schützt diese Täterarbeit betroffene Kinder direkt und nachhaltig. Kinderschutz Schweiz ist erfreut darüber, dass der Nationalrat die Stärkung der professionellen Arbeit mit Tatpersonen als wichtig erachtet.
Kein aktives Stimm- und Wahlrecht für 16-Jährige
Kinderschutz Schweiz bedauert, dass der Nationalrat definitiv nein gesagt hat zum Aktiven Stimm- und Wahlrecht für 16-Jährige (Parlamentarische Initiative von Sibel Arslan, 19.415). Gemäss der UNO-Kinderrechtskonvention steht das Recht auf altersentsprechende Partizipation allen Kindern und Jugendlichen zu. Schade können sich 16-Jährige auch weiterhin nicht an politischen Entscheiden beteiligen.
Annahme der Motion Verbesserung der Behandlung von Kindern, die mit einer Variation der geschlechtlichen Entwicklung (DSD) geboren wurden
Der Titel der Motion (23.3967) mag gut klingen, doch zielt sie am Problem vorbei. Es sollten nämlich keine Eingriffe an Kindern, die mit einer Variation der Geschlechtsentwicklung geboren wurden, vorgenommen werden, wenn diese medizinisch nicht dringend notwendig sind. Die betroffenen Kinder sollen zu einem späteren Zeitpunkt selbst über etwaige Eingriffe bestimmen können. Kinderschutz Schweiz hätte deshalb ein strafrechtliches Verbot von geschlechtsverändernden Eingriffen an Kindern mit einer angeborenen Variation der Geschlechtsmerkmale (Intergeschlechtlichkeit) bevorzugt. Die nun zu erarbeitenden medizinisch-ethischen Richtlinien für die Diagnose und Behandlung dieser Kinder sollten keine medizinisch unnötigen Eingriffe legitimieren und möglichst strenge Kriterien für Eingriffe definieren.
Auch der Ständerat ist grundsätzlich für ein gesichertes Aufenthaltsrecht bei häuslicher Gewalt
Gewaltbetroffene verharren oft in ihrer Beziehung, um die Aufenthaltsberechtigung nicht zu verlieren. Dadurch sind sie und ihre Kinder einer unzumutbaren und menschenrechtswidrigen Situation ausgesetzt. Dies soll geändert werden. Der Ständerat stimmt dem Geschäft 21.504: «Bei häuslicher Gewalt die Härtefallpraxis nach Artikel 50 AIG garantieren» zu, doch schwächt er dieses gleichzeitig etwas ab. Um als Gewaltbetroffene anerkannt zu werden, ist die Hürde höher angesetzt als vom Nationalrat vorgesehen und es können nach wie vor Integrationsbemühungen von Gewaltbetroffenen eingefordert werden – was für diese aufgrund der schwierigen Lebenssituation nicht einfach ist. Kinderschutz Schweiz empfiehlt dem Nationalrat, an seiner Version, die für die gewaltbetroffenen Eltern und Kinder einen besseren Schutz bietet, festzuhalten.
Ausblick auf den Rest der Session: Bundesratsgeschäft 23.057: ZGB. Änderung (Massnahmen gegen Minderjährigenheiraten).
Am 12. März behandelt der Ständerat die Vorlage des Bundesrates, die zum Ziel hat, den Schutz für minderjährig Verheiratete zu erhöhen. Dies dadurch, dass Ehen von unter 16-Jährigen generell nicht anerkannt werden sowie auch im Ausland geschlossene Ehen von Minderjährigen, von denen zumindest eine Person den Wohnsitz in der Schweiz hat. Weiter haben Betroffene neu bis zum 25. Altersjahr Zeit, gegen eine minderjährig eingegangene Ehe vorzugehen.
Jährlich werden in der Schweiz um die 100 Fälle von Minderjährigenheiraten bekannt. Die Grenzen zwischen Minderjährigen- und Zwangsheiraten sind schmal. Eine Evaluation des Bundesrates hat gezeigt, dass die heutigen Massnahmen gegen Minderjährigenheiraten nicht ausreichen. Kinderschutz Schweiz begrüsst deshalb die vorgeschlagenen Änderungen im ZGB.
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